Ich will aber –  Verhandeln mit Profis (also Kindern) 

Ich will aber –  Verhandeln mit Profis (also Kindern) 

Ich will aber -  Verhandeln mit Profis (also Kindern) 

Ein normaler Arbeitstag geht zu Ende. Ich gehe mit geschwellter Brust nach Hause und freue mich, dass durch die Unterstützung meiner Firma eine gute Verhandlung gelungen ist. Wir haben einige Euros mehr für unsere Kundin generiert, als er für möglich hielt. Die Kundin ist glücklich und das fühlt sich gut an. Zu Hause angekommen sehe ich, dass ich gestern Abend wieder mal vergessen habe den Müll rauszubringen. Kurz noch mit mir selbst verhandeln. Frischer wird er ja nicht mehr. Also nochmal runter, Tonne auf. Mist war ja Gelber Sack … ok… dann tief in die Tonne greifen und umsortieren.
Ich merke meine Konzentration ist für heute ziemlich aufgebraucht. Leicht faulig stinkend gehe ich wieder zur Tür und da steht meine vierjährige Tochter und streckt mir ein neues Plüschtier vor meine verschwitzte Stirn:

“Guck mal Papa, das ist Hasi”

Oh nein … nicht noch ein Kuscheltier.

“Ich hab es von meinem Freund Kim bekommen. Ich hab es gegen einen Stein getauscht”.

Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Irgendwie sollte es mich ja stolz machen… ganz der Papa … aber auch eben genau nicht. Es kommen Zweifel. Vielleicht hätte meine Tochter lieber die Verhandlung eben mit dem Mittelständler führen sollen? Ein Stein gegen einen Hasen!? Irgendwie erschreckend, dass sie so etwas schafft. Naja, das Gehirn der Kinder ist ja noch nicht ganz ausgereift, beruhige ich mich innerlich und lege meine Jacke ab.

“Papa, ich will jetzt Schokolade. Mama hat mir nur ein Stück gegeben. Ich will aber drei. Jetzt.”

Das Verhandeln hat begonnen.

Warum gewinnen eigentlich Kinder ihre Verhandlung gegen die Eltern? Was machen Kinder einfach besser, wovon wir Erwachsenen lernen können? Oder anders gesagt, wie aktivieren wir Erwachsenen wieder das, was wir als Kind anscheinend schon mal gekonnt haben? Hier meine vorläufigen fünf Erkenntnisse: 

1.Verhandle als wäre es das letzte Stück Schokolade auf der Welt!

Wenn Kinder verhandeln, gibt es keinen Plan B. Das was sie wollen, wollen sie. Punkt. Sie kennen kein “Reservation Point”, also den Punkt an dem sie gerade noch so zufrieden sind und Zugeständnisse machen. Sie sind kompromisslos und haben das richtige Mindset. Als Eltern versuchen wir aber genau diese Kompromisse zu finden und Alternativen anzubieten. Der klare Fokus der Kinder und Rigorosität gibt ihnen mehr Macht und Durchschlagskraft. Unser “Nein” aktiviert ihren Kampfgeist und anstatt nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, gehen sie jetzt erst recht in die Offensive. Dabei müssen sie noch nicht einmal inhaltlich etwas anbieten: ein schlichtes “Will aber”, reicht aus und das meist mit Erfolg, damit wird jede Value Protection schwer.

2. Sei mutig wie Peter Pan!

Hast du schon mal in Ehrfurcht die Verhandlungspartnerin im Vorfeld gegooglet? Oh je, sie hat schon in fünf DAX Unternehmen gearbeitet. Hat `ne Villa auf den Bahamas. Vier Bücher bereits über Verhandlung geschrieben und wenn sie etwas auf LinkedIn postet bekommt sie mindestens 500 Likes. Habe ich da überhaupt eine Chance?

Kindern ist es egal wer du bist. Sie glauben an Ihren Erfolg, auch wenn du ein Kopf größer bist. Das was wir uns als Erwachsene immer wieder sagen: “Die kochen auch nur mit Wasser…”, wissen unsere Kinder bereits. Sie kennen hier keine Furcht und sei es Captain Hook. Sie sind bereit und werden jede Schwäche auszunutzen.

3. Wer hat den Schlüssel zu den Naschies im Schrank?

Kinder sind eben nicht dumm. Sie lernen aus ihrer Erfahrung und bauen daraus eine Strategie auf, bevor sie die Bedeutung dieses Wortes überhaupt begreifen. So reden sie immer direkt mit einem Entscheider und die können bei Eltern ja je nach Verhandlungsgegenstand unterschiedlich sein. Aus Ihrer Verhandlungserfahrung nutzen sie gekonnt Schwachstellen aus. Mama kauft mir eher ein Buch, Papa Schokolade. Kinder spielen uns clever aus und wissen genau an wen sie sich wenden müssen, um das jeweilige zu bekommen. Und hat man trotzdem von Mama mal Schokolade bekommen, dann ist die Chance groß, dass ich von Papa noch mehr bekomme. Logisch oder? 

4. Auch nach dem Streit kann man noch kuscheln!

Kinder können Verhandlung gegen den Menschen und für eine Sache tatsächlich trennen. Nach einem Streit mit vielen Tränen (weil es eben doch keine Schoko zum Frühstück gibt), sind es die Eltern, die sie in ihrer Traurigkeit trösten dürfen. Das an sich sinnvolle Motto “Hart zur Sache, weich zum Menschen” (des Harvard Konzepts von Roger Fisher und William Ury) habe ich zu selten bei Erwachsenen in der Realität tatsächlich gesehen. Geschäftspartner zerfleischen sich eben nicht in den Inhalten und geht danach gut gelaunt gemeinsam zum Abendessen. Kinder machen das jedoch jeden Tag.

5. Lass dich nicht durch das Sandmännchen einschläfern!

Meine Kinder verhandeln mit mir nicht morgens, sondern abends. Sie haben ein Bewusstsein entwickelt, wann der richtige Zeitpunkt ist, etwas zu fordern und wann nicht. Morgens ist mein “Verhandlungsmuskel” fit und resilient. Während des Tages wird dieser “Muskel” schwächer. Denn ich habe bis dahin viele Gespräche mit Kollegen und Kunden geführt, dutzende Entscheidungen getroffen und will meinen Abend in Harmonie ausklingen lassen. Und tatsächlich rät meine Firma daher auch Verhandlungen über die Verteidigung von Angeboten eher morgens zu führen und eigene Forderungen, die sie selber durchsetzen wollen, gut ausgeruht am Abend mit Ihren Kunden / Lieferanten anzusetzen.

Und um mein Szenario am Anfang nochmal aufzugreifen. Ihr dürft dreimal raten, wie viele Stücke Schokolade meine Tochter bekommen hat. Denn neben all den Verhandlungen macht es mich einfach glücklich in ihr freudestrahlendes Gesicht zu blicken. Win-Win also.

Weitere Tipps über das Verhandeln erfahren Sie in diesem Artikel und in unserem Podcast.