Verhandlung: der Kompromiss

Verhandlung: der Kompromiss

Verhandlung: der Kompromiss

Willkommen zu dem dritten Teil unserer Blog-Reihe über Verhandlung. Wir haben nun zwei Arten der Verhandlung in unserem Repertoire. Zum einen ist da die wettkampforientierte, die versucht, ihre Positionen kompromisslos zu schützen, ihre Ziele rücksichtslos durchzusetzen und dabei auch bereit ist, Beziehungen zu gefährden. Zum anderen haben wir nun die beziehungsorientierte Verhandlung kennengelernt, die unter Umständen nachgiebiger bezüglich verhandelter Positionen ist und den Erhalt der Beziehung dafür in den Mittelpunkt rückt. Selbstverständlich haben beide ihre Vor- und Nachteile und sind je nach Situation mehr oder weniger angemessen.

Lassen Sie uns noch eine weitere Möglichkeit betrachten, eine Verhandlung zu führen beziehungsweise zu beenden: der Kompromiss. Damit ist gemeint, dass man einen Konflikt friedlich beendet oder Situationen schafft, in denen Konflikte in Zukunft gar nicht mehr entstehen sollten. Jeder Verhandlungspartner gibt dafür Teile seiner Forderungen auf und akzeptiert eine Kompromisslösung. Der Begriff »Kompromiss« kommt natürlich nicht nur in geschäftlichen Verhandlungen vor. Gerade auch im gesellschaftlichen und politischen Diskurs waren und sind Entscheidungen und Ausgänge von Verhandlungen oft durch Kompromisse geprägt.

Sie kennen es mittlerweile: Ich werde einmal mehr versuchen, Ihnen eine Verhandlungsart zu veranschaulichen, indem ich auf ein historisches Beispiel zurückgreife.

Der Kompromiss ist die schnellste Verhandlung

Auch in der Gründungspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika wurden große Kompromisse gemacht: Im Zeitalter der jungen Republik (1783–1825) bestand eine große Schwierigkeit darin, die schiere Menge an Interessen kulturell unterschiedlich geprägter Bevölkerungsteile, verschiedener Denkweisen und ungleicher wirtschaftlicher Systemen unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Das war alles andere als eine leichte Aufgabe und die Grenzen der Kompromiss-Politik zeigten sich nicht zuletzt an der Uneinigkeit über die Frage nach dem Status der Sklaverei.

Die Vereinigten Staaten waren im Jahr 1820 alles andere als einig. Die noch junge Republik teilte sich in industriell geprägte Staaten, in denen Afroamerikaner als frei galten, und Staaten, deren wirtschaftliche Leistung auf Landwirtschaft und Sklaverei beruhte. Eine drohende Spaltung des Staates aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtsprechungen und ethischen Vorstellungen galt es abzuwenden. Der Missouri-Kompromiss versuchte genau das: Er sollte die politische Balance zwischen sogenannten freien Staaten und Sklavenstaaten im Gleichgewicht halten. Ein Ungleichgewicht, so war die Befürchtung, würde entweder zu einer Ausweitung der Sklavenhaltung auf der einen oder einer Abschaffung derselben auf der anderen Seite führen. Zu dieser Zeit waren große Teile der USA noch nicht erschlossen, das heißt die verschiedenen Territorien gehörten noch keinen Bundesstaaten an, wie wir sie heute kennen. Viele der heutigen Staaten mussten erst noch gegründet werden. Die Sklaverei war zwar verfassungsmäßig geschützt, doch begannen sich die Mehrheitsverhältnisse zu verändern. Zum einen, da im industriellen Norden die Bevölkerungszahlen schneller anstiegen als in den ländlichen Südstaaten der Plantagenbesitzer, zum anderen, weil immer mehr neue Staaten der Union beitraten. Die Anzahl der Abgeordneten im Repräsentantenhaus richtete sich bereits in dieser Zeit nach der Zahl der einzelnen Bundesstaaten, von denen damals in elf Staaten die Sklaverei verboten und in weiteren elf noch erlaubte Praxis war. Das Territorium »Missouri« wollte nun als Bundesstaat der Union beitreten und damit eine politische Mitsprache im Repräsentantenhaus erhalten. Missouri befürwortete die Sklaverei und seine Aufnahme hätte ein politischen Ungleichgewicht in den Senat gebracht. Um diesem Ungleichgewicht vorzubeugen, wurde ein neuer freier Staat im Norden geschaffen, nämlich Maine. Dadurch wurde der Status Quo erhalten und man erreichte wieder ein Gleichgewicht von zwölf freien Staaten gegen zwölf Sklavenstaaten.

Der Kompromiss wird zur Gewohnheit

Für alle zukünftigen Gebietshinzunahmen sollte ab jetzt die »Kompromisslinie« gelten. Eine Grenze, die angab, dass alle nördlich von ihr gelegenen, neu zu bildenden Staaten freie und alle südlich gelegenen Sklavenstaaten sein müssten. Damit sollte das Problem des Ungleichgewichts in Zukunft vermieden werden. Was gut gemeint war, machte die Spaltung der USA in zwei Lager, nämlich Nord- und Südstaaten, auch geographisch endgültig offenkundig. Weitere Ausgleichsversuche, wie der »Kompromiss von 1850«, suchten ebenfalls eine gleichmäßige Verteilung und ausgewogene Balance in der vor allem wirtschaftlich motivieren Frage nach der Legalität der Sklavenhaltung. Diese Kompromisse scheiterten jedoch letztendlich alle und endeten im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865. Doch selbst dieser Krieg brachte keine befriedigende Lösung. Zwar wurden die in den USA lebenden Menschen afrikanischer Herkunft nun offiziell zu US-Bürgern, gleichberechtigt waren sie jedoch nicht. So weigerten sich etwa viele »Weiße«, dieselben Toiletten zu benutzen wie »Schwarze«. Der Kompromiss in dieser Frage lag dann darin, das Problem zu vertagen und nach Hautfarben getrennte WCs anzubieten. Sie dürfen raten, welche Toiletten häufiger und gründlicher gereinigt wurden. Zwar ist dieser faule Kompromiss glücklicherweise seit langem aufgehoben – die Konflikte, die zwischen den Menschen verschiedener Hautfarbe in den USA bestehen, sind es aber leider bis heute nicht.

Die kompromissbasierte Verhandlung ist nicht nachhaltig

Lassen Sie uns aus diesem Beispiel also nun ein paar Merkmale ableiten, die kompromissorientere Lösungen und Verhandlungen charakterisieren. So verlockend ein Kompromiss oft aussehen mag, so viele Probleme birgt er auf mittel- und langfristige Sicht: Ein Kompromiss verhandelt eine Einigung, ohne den bestehenden Konflikt als Ganzes lösen zu wollen:
Das scheint auf den ersten Blick einfacher und deshalb eine gute Lösung zu sein. Aus diesem Grund werden Kompromisse auch gerne von Verhandlungs-Anfängern und Personen im privaten Bereich Ihrer Beziehungen angestrebt.Beide Seiten bekommen eine zumindest kurzfristig akzeptable Lösung, die sie allerdings langfristig nur eingeschränkt annehmen können:
Im privaten Bereich einer Partnerschaft wäre ein Beispiel dafür etwa die Frage nach dem Urlaubsort. Sie will in den Alpen wandern gehen, er will an der Nordsee entspannen. Der Kompromiss wird ein Urlaub in der Mitte: Bielefeld. Wunderbar! 

Kompromisse führen dazu, dass künftige Situationen auf ähnliche Weise gelöst werden. Es wird eine sogenannte Kompromisskultur etabliert, auf den einen Kompromiss folgt der nächste oder es wird schlichtweg gar nicht mehr verhandelt, um Konflikte zu vermeiden:
Sie will Sushi, er will Griechisch. Sie gehen zum Italiener – weil Pizza mag ja jeder. In Zukunft gehen beide gemeinsam nur noch Pizza essen, um Diskussionen zu vermeiden.

Fazit:

Die ursprünglichen Bedürfnisse verschwinden nicht:
Die damit verbundenen Konflikte wurden nur verschoben und werden ganz sicher wieder zutage treten, da keine Lösung für beide Seiten gefunden wurde. Da Kompromisse sich meist auf Verhandlungssituationen innerhalb von zwei Polen konzentrieren, wird die Möglichkeit einer weiteren, dritten, komplett neuen Alternative meist übersehen.