Folge 27: Authentisch Verkaufen: Was heißt Authentizität im Vertrieb?

Folge 27: Authentisch Verkaufen: Was heißt Authentizität im Vertrieb?

In dieser Folge von „Lerne Vertrieb“ geht es um das Thema „Authentizität im Vertrieb“. Pritu Daniel Detemple ist daher im Gespräch mit dem Vertriebsexperten Ulf Zinne und diskutiert, wie Authentizität deinen Vertriebserfolg beeinflussen kann. Sie teilen ihre wertvollsten Ratschläge, um authentisch und gleichzeitig erfolgreich im Vertrieb zu agieren. Bereite dich vor auf eine spannende Reise voller Einsichten und Aha-Momente – jetzt in dieser Episode.

Transkription

Folge 27: Authentisch Verkaufen: Was heißt Authentizität im Vertrieb?

Pritu Daniel Detemple: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Lerne Vertrieb. Als Philosoph macht man sich einige Gedanken, und ich gebe zu, manchmal auch ein paar zu viele. Der heutige Gedanke wird jedoch sehr nützlich sein, denn es geht um Authentizität. „Authentisch Verkaufen“, was bedeutet das genau? Ich meine, der Begriff „authentisch“, wenn man erstmal davon absieht, hat eine riesige Spannweite. Einige verstehen darunter, mit sich selbst im Reinen zu sein, konsistent zu handeln, also berechenbar zu handeln, entsprechend der eigenen Persönlichkeit.

Andere wiederum würden jetzt sagen: „Ja, ich bin dann so richtig authentisch, wenn ich mit Jogginghose auf der Couch sitze. Dann bin ich wirklich authentisch.“ Also, es gibt eine große Bandbreite, und gerade im Vertrieb ist dies interessant, weil ich viele Vertriebler und Vertrieblerinnen kenne, bei denen ich das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt. Ich nehme die Person anders wahr, wenn ich sie privat treffe, im Vergleich dazu, wenn ich sie, sagen wir mal, im geschäftlichen Umfeld sehe. Es sind zwei verschiedene Personen, und da hat man das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Welche von diesen Personen ist nun die wahre Person, sozusagen? In dieser Folge werden wir sehen, dass dieses Verhalten vielleicht auch gar nicht so verkaufsfördernd ist.

Begrüßung: Ulf Zinne

Ich begrüße meinen heutigen Gast, er steht für mich für Wertschätzung pur und für ein neues Verhalten von Vertrieblern untereinander, miteinander und mit ihren Kunden. Herzlich willkommen, Ulf Zinne! Erzähl doch etwas über dich.

Ulf Zinne: Hallo Pritu, das ist erstmal das Erste, was ich sagen möchte: Herzlichen Dank für die Einladung! Ich habe mich wirklich sehr gefreut, weil als du gesagt hast: „Lerne Vertrieb“, das ist ja schon eine Aussage an sich, und ich habe mich mal zurückerinnert, wie es eigentlich bei mir so losging. Und eigentlich sage ich immer ist das ein lustiges und gleichzeitig auch so schockierendes Element, was mich aber so für meinen Weg und auch für die Frage der Werte und so weiter im Vertrieb sehr beschäftigt hat. Denn ich wäre fast mal gar nicht mehr im Vertrieb gelandet.

Mit großer Begeisterung habe ich im Alter von 14 Jahren angefangen, ein bisschen spielerisch Vertrieb zu betreiben. Damals war ich als Zauberkünstler unterwegs. Ich wusste jedoch noch nicht, dass ich dabei auch Verkauf betreibe. Viele Jahre später wurde es dann ernst, als ich das erste Mal an einem Vertriebsworkshop teilnahm. Der Trainer stand dort, breitschultrig und beeindruckend, und sagte: „Ich zeige Ihnen jetzt das wichtigste Instrument im Vertrieb.“ Dann trat er mit einem Fuß nach vorne, und wir alle fragten uns, was das wohl bedeuten könnte. Dann sagte er: „Das ist die Stahlkappe im Schuh. Denn eins dürfen Sie nicht vergessen, wenn die Tür aufgeht, dann geht Ihre Stahlkappe in Ihrem Schuh da rein, und dann geht diese Tür nicht mehr zu.“ In diesem Moment dachte ich entweder gibt es noch andere Möglichkeiten oder ich muss hier ganz schnell weg, denn das entspricht nicht meinem Stil!

Pritu Daniel Detemple: Ja, ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert und welche Werte in diesem Moment eher abstoßend sind und dazu führen, dass man weglaufen möchte.

Ich möchte dich kurz vorstellen, weil es gar nicht so leicht ist, in unserer Branche die richtigen Worte zu finden: Was sind wir eigentlich? Du bist Speaker, Trainer, Coach und Vertriebsexperte für den Vertrieb, aber natürlich auch im Zusammenhang mit Unternehmensführung. In den letzten 20 Jahren hast du international alles erlebt, angefangen von kleinen Startups bis hin zu Multi-Milliarden-Konzernen. Und du kommst immer dann ins Spiel, wenn es um Menschen geht, insbesondere um den personenbezogenen Vertrieb. Es ist nicht ganz einfach, all das in ein kleines Raster zu bringen. Kommt es ungefähr hin?

Ulf Zinne: Ja, du hast Recht,. Man kann das gerade nicht sehen, aber ich muss gerade sehr schmunzeln und werde leicht rot, weil ich vor einiger Zeit eine völlig absurde Situation hatte. Ein großer Konzern hatte mich als Speaker angefragt und es ging um einen Impulsvortrag mit einem kleinen Workshop im Anschluss. Und es drehte sich alles um die Frage, wie ich genannt werden soll. Wir hatten drei Telefonate, in denen es nur darum ging: „Als was sollen wir Sie in unserem SAP-System eintragen? Denn dort waren Honorargrenzen hinterlegt. Sind Sie ein Top-100-Trainer? Sollen wir als Trainer nennen?

Ich sagte: Ja, sie können mich als Trainer bezeichnen, ich habe diverse Auszeichnungen erhalten und Sie können machen, wie Sie wollen. „Aber wir müssen Sie irgendwie damit einordnen.“ Das zog sich über drei Schleifen. Am Ende sagte ich zur Auftraggeberin, da hat es mir echt gereicht. Und dann sagte ich wieder: „Wissen Sie was? Lassen sie mich das jetzt mal bitte etwas deutlicher formulieren. Sie können mir auch einen Tiernamen geben. Es ist mir völlig egal.“

Denn am Ende des Tages geht es darum, dass Menschen da sitzen, die einfach lernen möchten, wie sie besser mit ihren Kunden umgehen können. Mein Vorschlag war, dass sie es als ersten Impuls aus dem Coaching nehmen und wir uns weniger darüber unterhalten, ob ich nun Coach, Trainer, Moderator, Speaker, Vortragsredner oder Experte bin. Mir ist es egal. Hauptsache, wir fangen endlich an zu arbeiten. Das hatten sie tatsächlich noch nicht erlebt. Ja, der Workshop war großartig. Wir wurden schnell per „du“ und die Auftraggeberin sagte, dass sie herzhaft lachen musste und meinte, dass es so erfrischend sei und sie so etwas noch nie erlebt habe. Und sagte ich: „Ja, genau darum geht es, dass wir wieder auf die Essenz kommen.“ Wir müssen wieder zur Essenz zurückkehren, so wie du bereits gesagt hast, und sagen:

„Hey gerade im personengebundenen, hochvolumigen, erklärungsbedürftigen Vertrieb geht es um Menschen.

Pritu Daniel Detemple: Ja, genau, es geht um Menschen, und das ist vielleicht auch ein bisschen das Problem im Vertrieb. Der Umsatz, die Reichweite und andere quantifizierbare Dinge überlagern oft den Menschen und das, was Menschen ausmacht. Es bringt sie in eine gewisse Ecke und in eine gewisse Drucksituation. Deshalb Ulf, lass uns heute über Werte sprechen.

Der Wert „Authentizität“: Was verbirgt sich dahinter?

Pritu Daniel Detemple: Ich weiß, dass du einen Wert hast, an dem, glaube ich, auch viele andere Werte angedockt sind, und darüber würde ich gerne mit dir sprechen: nämlich der Wert: Authentizität. Was genau verstehst du darunter?

Ulf Zinne: Unter Authentizität verstehe ich eigentlich das, was das Wort selbst bedeutet. Es bedeutet den Mut zu haben, mich so zu zeigen, wie ich bin, und dass eben auch in Gesprächen. Was ich damit ganz konkret meine, ist, dass man wirklich in einen aufrichtigen, ehrlichen Dialog geht, wo man im Zweifel auch mal sagt: „Das weiß ich gerade nicht.“ Oder „Hey, das ist eine gute Frage, da informiere ich mich“. Oder eben mal den Mut zu einem Kunden zu sagen: „Sie können das gerne so machen, aber dann können Sie auch gleich Ihre Erfolgschancen aus dem Fenster werfen, denn es wird so nicht funktionieren.“

Wahrscheinlich haben Sie das in der Vergangenheit auch schon öfter erlebt. Für mich gehört zur Authentizität auch Loyalität. Ich vergleiche das manchmal mit Freundschaften, wo ich immer sage: Hey, jeder von uns würde doch sagen, eine Freundschaft ist gut, wenn ich auch dann, wenn es mal nicht funktioniert, ehrlich zu dir sein kann und dir sagen kann:

„Was du gerade machst, ist gerade der allerletzte Rotz, und ich muss dir hier auf den Pott setzen, weil ich ansonsten nicht an deiner Seite stehen kann.“

Jeder würde sagen: Ja klar, alles andere ist sozusagen das Regenbogenland oder Einhorn-Pups, wie es heutzutage genannt wird. Aber ich glaube, dass sich Freundschaften gerade in den Momenten entscheiden, in denen es nicht alles so locker flockig läuft, und dass das auch im Vertrieb der Fall ist. Das gehört für mich auch zum authentisch sein dazu.

Pritu Daniel Detemple: Okay, ja, genau da sehe ich bereits die mit dem Begriff Authentizität verbundenen Werte, von denen du gesprochen hast, nämlich Loyalität. Also, ich würde das so interpretieren, dass es darum geht, im Interesse des Kunden zu arbeiten und nicht gegen seine Interessen zu handeln. Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus irgendetwas zu verkaufen, nur weil es meine eigenen Interessen als Verkäufer sind, sondern der Kunde steht im Mittelpunkt.

Natürlich bin ich auch loyal gegenüber meinem Unternehmen, aber ebenso im Interesse meines Kunden. Beides muss funktionieren. Und hier kommt dann diese radikale Ehrlichkeit ins Spiel, in dem Sinne, dass ich mich nicht verbiege, sondern sage, was ist. Es gibt jedoch auch Menschen, die Authentizität damit assoziieren, dass sie sagen: „Ja, das bin ich einfach, wenn es dir nicht passt, dann geh doch weg. So bin ich eben!“ Wie siehst du das?

Ulf Zinne: Ich unterscheide immer zwischen authentisch zu sein 1.0 und 2.0. Authentizität 1.0 ist für mich, wenn das authentisch sein als Entschuldigung benutzt wird. Es lautet so nach dem Motto: „Egal, was meine Kunden wollen, das kann ich halt nicht, das bin ich nicht, und deswegen ist es auch egal. Und meine Kunden müssen das irgendwie anders phrasen, wenn sie es haben wollen.“Das ist natürlich eine Vorgehensweise, die nicht funktioniert. Und da erlebe ich auch mit ein bisschen direkt halt gesagt, dass authentisch sein eben auch gerne mal Entschuldigung verwendet wird.

Authentisch sein im Sinne auch von erfolgreich authentisch sein, bedeutet für mich, dass ich immer vom Markt her kommend anfange zu denken und sagen: Okay, wer ist wirklich meine Wunschzielgruppe, mit wem möchte ich wirklich dienen? Was haben diese Menschen für einen Job zu vergeben, für dessen Erledigung sie auch bereit sind, Geld zu bezahlen? Und dann kann ich mir angucken, was von dem, was ich da gefunden habe, kann ich auf Basis meiner Werte wirklich ganz authentisch erfüllen. An welchen Stellen merke ich zum Beispiel, dass die Kunden das gerne erledigt haben möchten. Aber dafür muss ich möglicherweise Unterstützung suchen, ein Team aufbauen oder ähnliches.

Das heißt, Authentizität ist vor allen Dingen ein Wertegerüst von Ehrlichkeit, von Transparenz, von die Masken abzunehmen und zu sagen, so ist es von auch einem gewissermaßen herausfordernden Gesprächsstil. Und eben auch mit dem, ich sage mal „Anführungszeichen: Risiko„. Ich verwende hier Anführungszeichen, da es meistens nicht wirklich ein Risiko ist, sondern vielmehr bedeutet, dass ich in einen aufrichtigen Dialog mit meinen Kunden trete und im Zweifelsfall auch mal sage: „Das können Sie gerne so machen, aber nicht mit mir“, denn wir möchten nicht einfach nur eine weitere Agentur sein, die Ihnen das Geld aus der Tasche zieht, wenn wir bereits absehen können, dass es nichts bringt. Das ist nur ein kleiner Einblick in die verschiedenen Aspekte und Parameter, wie ich persönlich Authentizität interpretiere.

Wie kannst du im Berufsalltag authentisch sein?

Pritu Daniel Detemple: Okay, jetzt höre ich allerdings die eine oder andere Hörerin, den einen oder anderen Hörer sagen: „Ja, ich kann aber nicht immer authentisch sein. Ich habe einen Job zu erledigen, ich bin angestellt, und es steht in meinem Arbeitsvertrag drin, dass ich weisungsgebunden bin. Also kann ich nicht immer authentisch sein. Ich muss mich bestimmten Regeln beugen.“ Deswegen frage an dich Ulf, wie gelingt es trotzdem? Wie kann ich innerhalb meines kleinen Rahmens, als weisungsgebundener Mitarbeitende überhaupt authentisch sein?

Ulf Zinne: Durch das, was du selber entscheidest. Es ist am Ende des Tages eine Entscheidung, wofür du stehst, wofür du nicht stehst. Ich glaube, dass wir heutzutage auch in einem sehr spannenden Wandlungsprozess drin sind. Weil auch die Konzerne natürlich merken, dass mit den heutigen Mitarbeitern auch im Vertrieb eben das nicht mehr so möglich ist, so umzugehen, wie es früher noch der Fall war.

Ich erlebe immer wieder, und das begrüße ich persönlich sehr, dass junge Menschen aufstehen und sagen: „Sorry, aber ich werde diesem Kunden das nicht so erzählen. Das mache ich einfach nicht so. Also, da gehe ich nicht über eine Linie, schmeiß mich raus.“ Also, da es ist ein ganz anderes Selbstbewusstsein entstand, und ich will damit nicht sagen, bitte legt euch jeden Tag bei euch intern an.

Manchmal muss man auch einfach sagen zugunsten des Teams: Okay, ich fahre mich ein bisschen zurück, aber ich glaube, jeder ist gut beraten zu sagen: „Okay, was sind für mich GOs, was sind für mich NO-GOs.“ Und ich kann immer nur empfehlen, auch persönlich mal die persönlichen Lebenswerte zu definieren und eben auch zu sagen, woran merken, dass meine Mitarbeiter, meine Teamkollegen, mein Chef, auch meine Kunden. Aber was sind für mich eben auch rote Linien, über die ich nicht gehe.

Pritu Daniel Detemple: Super, also das klingt alles sehr cool. Ich finde es toll, wie du es sagst, und ich teile deine Meinung. Lass mich jetzt trotzdem mal so ein bisschen den Advocatus Diaboli, den Teufelsanwalt, spielen, um die Gegenposition einzunehmen.

Die Herausforderung der Authentizität…

Was ist, wenn ich sage: „Hey, ich habe keine Möglichkeit, authentisch zu sein, auch wenn ich Entscheidungen treffen könnte, die von mir aus authentisch sind. Die Konsequenz, die daraus entsteht, würde wie ein Bumerang auf mich zurückfallen. Mein Auftrag ist es, hier von meinem Unternehmen Geld reinzubringen. Wenn ich das Gefühl habe, dass es eigentlich besser gemacht werden könnte, dann könnte das bedeuten, dass ich kein Geld mehr verdiene. Und wenn ich meinen Job verliere, kann ich meine drei oder vier Kinder nicht mehr ernähren. Ich bin also letztendlich auch abhängig von diesem Job.“ Was sagst du diesen Menschen?

Ulf Zinne: Die Tatsache, dass ich sage, ich bin abhängig, ist auch schon wieder eine Entscheidung, die ich treffe. Und ich weiß, dass das ungemütlich ist. Zum Beispiel, ich persönlich habe keine Kinder, und oft wird dann gesagt: „Du kannst ja sagen, du hast ja keine Kinder, aber wenn du Verantwortung für Kinder hast, dann kannst du manche Sachen nicht treffen. Deswegen muss ich hier 19 Stunden am Tag arbeiten.“ Meine Gegenfrage ist dann immer: Bist du dir da wirklich sicher? Und wer sagt denn, dass deine Kinder nicht vielleicht in ein paar Jahren sagen würden: „Mir wäre lieber gewesen, du hättest die Hälfte der Zeit gearbeitet, aber dafür wärst du mehr zu Hause gewesen.“ Denn ehrlich gesagt haben wir gar nicht so viel Spielzeug und was auch immer gebraucht, wir hätten auch lieber in einer Mietwohnung gewohnt statt im Haus.

Das heißt, worauf ich hinaus will, auch wenn es ungemütlich ist, immer wieder zurückzukommen zu dieser Selbstermächtigung, zu sagen: Ich bin hier die Frau oder der Herr in meinem eigenen Haus, und ich treffe aus meiner persönlichen Integrität meine Entscheidungen. Denn der entscheidende Punkt ist, dass alles, was dir im Außen wiederfährt, so ungemütlich es auch sein mag, ein Spiegel innerer Themen ist. Und in dem Moment, wo ich bei mir innerlich aufräume und sage: „Dafür stehe ich, dafür stehe ich nicht. An dieser Grenze ist Stopp, an dieser Grenze bin ich kompromissbereit.“ In dem Moment, wo ich mich klar aufstelle, bin ich als Person charismatischer. Ich bin klarer im Ausdruck, und ich treffe bewusste Entscheidungen.

Und hier ist der Punkt: Ich kritisiere niemanden wirklich. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich kritisiere niemanden, der zum Beispiel sagt: „Ich habe keine Ahnung, vier Kinder, und ich traue mich nicht.“ Ich akzeptiere, dass ich mich an dieser Stelle vielleicht ein bisschen verbiege, aber mir ist das andere wichtig. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kritisieren. Wenn derjenige oder diejenige eine bewusste Entscheidung trifft, das so tun zu wollen, dann ist es ihre oder seine Entscheidung. Was ich nur, wofür ich nur werbe, ist, nicht in die Situation zu kommen. Das Gefühl zu haben, ich kann mich nicht mehr entscheiden. Denn das ist ganz grauenvoll. Sondern zu sagen, allein der Glaubenssatz, dass ich mich nicht mehr allein frei entscheiden kann, ist auch ein Glaubenssatz und ein bestimmtes Bild über mich.

Zurückzukehren in diese persönliche Souveränität hat im Übrigen auch viel mit Abschlussquoten zu tun. Denn das merken deine Kunden. Sie merken, ob du wirklich Senior, Seriös und dir klar bist oder ob du einfach nur als einer von vielen entsendet wurdest. Das merken sie schon. Und was mir immer wieder auffällt, ist, dass der Vertrieb als Abteilung gesehen wird. Es gibt den Einkauf, HR und dann den Vertrieb und so weiter. Ich persönlich sage, das ist keine Abteilung, sondern eine Form der Unternehmensführung. Denn eine vertriebsorientierte Ausrichtung meines Unternehmens hat letztendlich den Kern, den „Job Tobi“ zu erledigen. Also wofür wollen die Leute Geld bezahlen, und was ist der Job, der zu erledigen ist.

Pritu Daniel Detemple: Du sagtest, dass der Rahmen, in dem ich entscheiden kann, auch der Rahmen ist, in dem ich authentisch sein soll und muss, um ein besserer Verkäufer zu sein. Ist es jedoch nicht wesentlich vorteilhafter, wenn es mir gelingt, den Vertrieb über seine eigene Rolle hinaus zu mobilisieren und zu motivieren? Zum Beispiel die Unternehmensführung?

Im Grunde ist es doch viel einfacher, wenn meine CEOs, Geschäftsführer und mein Management am gleichen Strang ziehen und mir die Freiräume geben, um authentisch zu sein. Sie könnten quasi in dieser Form der radikalen Ehrlichkeit und Loyalität im Interesse des Kunden mitwirken. Denn als Vertriebsmitarbeiter bin ich dem Kunden am nächsten. Das bedeutet, ich weiß genau, was mein Kunde eigentlich will. Daher müsste ich doch derjenige sein, dem Gehör geschenkt wird und der den Motor, also die Art und Weise, wie das Unternehmen mit seinen Kunden umgehen sollte, mitgestaltet, oder?

Ulf Zinne: Richtig, genau das ist es, was ich meine und da bin ich völlig bei dir. Das bedeutet, dass wir Vertrieb als eine holistische Struktur sehen und erkennen, dass es eine Form der Unternehmensführung ist und keine isolierte Abteilung. In diesem Fall ist das Management ohnehin vollständig in den Prozess integriert, und dann funktioniert es auch.

Aber, und da stimme ich dir zu, es muss natürlich gewährleistet sein, dass Vertrieb tatsächlich als ganzheitliche Form der Unternehmensführung betrachtet wird. Das bedeutet, dass von der obersten Führungsebene aus die Forderung durchgesetzt wird, zu erkennen, dass es draußen Menschen gibt, die eine Aufgabe erledigt haben möchten, und unsere Aufgabe ist es, auf Basis und nicht auf Kosten der Persönlichkeit jedes Einzelnen sicherzustellen, dass wir dies bestmöglich erreichen. Alles andere, was dem entgegensteht, sollten wir aus dem Weg räumen.

Die Bedeutung von Authentizität für den Verkaufserfolg

Pritu Daniel Detemple: Okay, also halten wir doch einmal ein kleines Zwischenfazit fest. Es geht darum, authentisch zu sein, und mit „authentisch“ meinst du Loyalität, Transparenz, Wertschöpfung im Interesse des Kunden und Ehrlichkeit. Du hast gesagt, dass dies charismatisch wirkt und letztendlich zu einem besseren Verkauf führt.

Aber könntest du vielleicht die andere Perspektive erklären, nämlich aus der Sicht der Käufer? Was passiert genau, wenn man sich authentisch verhält, und warum ist dies letztendlich eine Verkaufsgarantie für die Produkte und Dienstleistungen unserer Hörerinnen und Hörer?

Ulf Zinne: Also, ein Vertriebserfolg passiert nicht einfach so, sondern eine Kaufentscheidung ist ein Teil Entscheidungsprozess. Menschen durchlaufen verschiedene Teilentscheidungen und machen sie am Ende einer Teilentscheidungen Check, oder sie machen Rotes X, und entweder es geht weiter, es geht nicht weiter. Hinter jeder Teilentscheidung steht eine Kernfrage, und die erste Kernfrage ist zum Beispiel: Kann ich diesem Menschen vertrauen?  Das ist das Wirkungsprinzip dahinter und für mich besteht der Unterschied zwischen einem Leitfaden und der Vermittlung von Grundprinzipien.

Wenn ich also sage: Hey, wir starten immer mit so Lust:“ Herzlich willkommen, schönen guten Tag, mein Name ist so von der Firma XY. Haben Sie gerade Zeit für mich?“, dann ist das kein verstandenes Prinzip. Aber wenn ich das Prinzip vermitteln würde und sage: „Überleg mal, was wäre für dich wichtig, bevor du überhaupt ansatzweise überlegst, ob du jemanden zuhörst? Ob ich den mag und vertraue?“ Das ist das Erste, was wir klären müssen. Wie könntest du das auf Basis deiner Persönlichkeit? Was hast du für Ideen? Wie könntest du das vermitteln?

Reichweite vs. persönlicher Kontakt

Pritu Daniel Detemple: Okay, alles klar. Wir haben jetzt unser Wertesystem festgelegt. Reicht das aus? Müssen wir nicht noch viele andere Dinge haben? Wie zum Beispiel Reichweite und all unsere Tools und Werkzeuge wie E-Mails, Kommunikationsleitfäden, Skripte usw.? Im Vertrieb denkt man oft, dass diese Dinge entscheidend sind. Ist es nicht wichtig, besonders gute Skripte für Telefonate oder vorgefertigte E-Mail-Templates zu haben? Was ist damit?

Ulf Zinne: Ich glaube, wir dürfen den Mut haben, zu den Vertrieb 1.0 zurückzukehren. Wir brauchen nicht immer nach dem nächsten Hype oder nach noch komplizierteren Methoden suchen. Gerade im personengebundenen Vertrieb kommt es letztendlich auf zwei Dinge an. Erstens, ob wir zusammenpassen, und zweitens, wenn wir zusammenpassen, ob wir Business machen wollen.

Pritu Daniel Detemple: Und wofür habe ich jetzt all diese technischen Lösungen? Ich habe in meinen digitalen Sales-Funnel investiert, viel Geld dafür ausgegeben, damit meine Kunden automatisierte E-Mails erhalten. Oder ich habe Chatbots oder Chat-GPT, AI-Tools, die LinkedIn Artikel schreiben, um meine Reichweite zu erhöhen. Was mache ich jetzt damit?#

Ulf Zinne: Ich glaube, viele dieser technischen Lösungen werden provokativ gesagt. Und deswegen eingesetzt, damit man nicht einfach mit Leuten sprechen muss. Sie verhindern das. Und dann kann ich immer sagen, ja, ich habe aber hier 20 Beiträge gemacht und so weiter. Vor Kurzem habe ich eine Frau kennengelernt, die über 2 Millionen Follower auf verschiedenen sozialen Netzwerken hat und dennoch Schwierigkeiten hat, ihre Miete zu bezahlen.

Daher bin ich mittlerweile etwas müde von diesem Streben nach Reichweite und Ähnlichem. Reichweite entsteht mit der Zeit. Aber ich ziehe es vor, 25 Personen zu haben, mit denen ich einen guten Kontakt habe und mit denen ich tatsächlich Business mache, anstatt immer nur nach Reichweite zu streben. Wie oft höre ich Leute sagen: „Ich habe nur 250 Leute in meiner Datenbank, ich muss unbedingt mehr Reichweite haben!“ Und ich frage dann: Was hast du in den letzten 12 Monaten mit den anderen 250 gemacht?

Erfahrene vs. Neueinsteiger

Pritu Daniel Detemple: Ja, guter Punkt. Jetzt versuche ich mich noch einmal in die Höheren, in die Höheren hineinzuversetzen. Also diejenigen, die das hören, die im Grunde schon länger im Vertrieb arbeiten, schon ihre Erfahrungen gemacht haben. Da leuchtet das jetzt wahrscheinlich sehr gut ein, auch das Thema authentisch verkaufen. Weil wahrscheinlich alle schon mal das Gefühl hatten: Okay, so funktioniert es besser. Auch wenn es vielleicht andere Maßregeln gibt oder einen anderen Kodex innerhalb der eigenen Vertriebseinheit oder Vertriebsabteilung. Man hat wahrscheinlich gemerkt, es funktioniert so besser so. Jetzt kann man das jetzt auch vielleicht so als Appell nehmen, geht mehr diesen Weg, seid da noch stringent, sei dort noch radikaler, um auch diesen Weg halt einzuschlagen.

Jetzt versuche ich mich aber bewusst in eine andere Rolle hineinzuversetzen. Nämlich die Rolle der Young Professionals, also diejenigen, die gerade erst im Vertrieb anfangen. In dieser Situation kommt man in ein Unternehmen und schaut sich um, links und rechts. Und versucht sich zu orientieren, wie alle anderen arbeiten. Das hat auch Auswirkungen auf einen selbst. Wenn es zum Beispiel keine klaren Strukturen gibt und man links und rechts schaut, sieht man Hunderte von Powerpoint-Folien mit Ratschlägen, wie man sich verhalten sollte. Obwohl das nicht seiner Natur entspricht und man sich auch nicht so verhalten möchte. Aber man lässt sich natürlich davon beeindrucken, weil man auch Teil des Teams sein möchte.

Gibt es einen Wert oder einen Sinnspruch, auf den man sich stützen kann? Etwas, das es einem ermöglicht, sich nicht von allem anderen ablenken zu lassen und mit einer bestimmten Werthaltung und Perspektive seine Position zu finden, ohne sich von anderen in einen bestimmten Prozess oder eine bestimmte Denkweise hineinziehen zu lassen?

Ulf Zinne: Egal, ob ich am Anfang stehe oder nicht, was ist es, was sich Menschen eigentlich am allermeisten wünschen? Und meine These ist, dass das, was wir uns am allermeisten wünschen, ist, dass wir so gesehen werden, wie wir wirklich sind. Deshalb glaube ich, dass der kraftvollste Satz auf diesem Planeten nicht „Ich liebe dich“ ist, sondern „Ich sehe dich„. Ich glaube, es gibt nichts Kraftvolleres.

Tipps für junge Vertriebsprofis

Pritu Daniel Detemple: Klasse! Gibt es darüber hinaus noch etwas, was du gerne jungen Vertriebsmitarbeiterinnen und Vertriebsmitarbeitern auf ihrem Karriereweg mitgeben möchtest?

Ulf Zinne: Lasst euch nicht irritieren von dem nach außen gezeigten Selbstvertrauen der Leute. Was ich erlebe, und das meine ich jetzt nicht negativ, aber da könnte die Hose nicht dicker sein – auf gut Deutsch gesagt vor lauter Selbstbewusstsein. Aber wehe, du stehst einmal drin oder versuchst, den Menschen nahe zu kommen. Anführungszeichen, alter Schwede, sieht das im Inneren teilweise anders aus.

Die Leute haben alle Schiss vor dem Herrn, keiner traut sich noch etwas, die E-Mail-Kommunikation, geteilt mit 500 Plain-Kopien. Keiner will meine Entscheidung treffen, der Druck wird überall größer. Die Mitarbeiterplätze werden teilweise abgebaut. Auf dem Einzelnen lastet immer mehr Verantwortung und so weiter. Den Leuten geht es lange nicht mehr so gut. Wenn wir uns Krankenkassenstatistiken anschauen, sehen wir eine massive Zunahme psychischer Erkrankungen und so weiter. Die Auswirkungen der Corona-Sachen sind noch nicht absehbar.

Also, das heißt, ihr dürft mir wirklich eins glauben. Die Leute sind super dankbar, wenn sie endlich jemanden gefunden haben, dem sie wirklich vertrauen können. Und der auch den Mut hat, gemeinsam mit ihnen etwas zu gestalten, selbst wenn man darüber nie spricht. Aber die Leute sind sehr dankbar. Und ich habe schon so oft erlebt, dass selbst Einkäufer – die ja nur natürlich knallhart sind, mehr sind sie eben nicht, sondern sie haben auch Spielräume – plötzlich an dieser Stelle entgegenkommt. Dabei müssen vielleicht bei jedem anderen Abstriche gemacht werden.

Aber glaub mir eins: „Ich sehe dich“ ist wirklich mit Abstand der kraftvollste Satz. Wenn man sich darauf fokussiert, kann man wirklich sehr viel Magie entstehen.

Pritu Daniel Detemple: Vielen Dank, Ulf Zinne, für diesen perfekten Schlusssatz. Wie erreicht man dich am besten?

Ulf Zinne: www.ulfzinne.com – ganz einfach! Dann einfach ins Gespräch kommen. Auch wenn jemand sagt: „Das klingt doch eigentlich viel zu schön, um wahr zu sein.“ Und wie ist das eigentlich, wenn man direkt mit denen, die die Arbeit machen, einsteigt? Einfach anrufen, einen Termin vereinbaren oder wie auch immer und dann miteinander sprechen.

Pritu Daniel Detemple: Ulf, herzlichen Dank für dieses wunderbare Gespräch.

Ulf Zinne: Danke für die Einladung! Viel Erfolg weiterhin.

 

Zur nächsten Folge über „DIE MACHT DER BEGEISTERUNG“ gelangst du hier: https://go-for-sales.com/podcast/folge-28-von-kunden-zu-fans-die-macht-der-begeisterung/