Verhandlung: Der Wettkampf

Verhandlung: Der Wettkampf

Verhandlung: Der Wettkampf

In unserer neuen Blog-Reihe beschäftigen wir uns mit dem Thema Verhandlung. Sehr oft höre ich die Meinung, dass Verhandlung eine Kunstform ist und maßgeblich zum Vertrieb gehört.
Verhandlung ist tatsächlich für GO FOR SALES ein Handwerk, also erlernbar und alltäglich. Jeden Tag verhandeln wir, ob mit unseren Kindern, mit unseren privaten Partnern oder mit den Kollegen auf der Arbeit. Aber auch weltpolitisch wird gefeilscht, geschachert und gepokert und das teilweise auf Amateurniveau. Um die Unterschiede der Verhandlung dazustellen möchte ich in dieser Reihe auf historische Ereignisse eingehen und aufzeigen, welche Schlüsse wir auf unser Leben und natürlich auch auf den Vertrieb ziehen können. Den Anfang macht die wettkampforientierte Verhandlung.

Verhandlung über Win or Lose

Die Ansicht, Verhandlungen seien eine Art Wettkampf, ist weit verbreitet. Verhandlungen, die einem Wettkampf gleichen, werden oft als das »eigentliche« Verhandeln angesehen. Das mag daran liegen, dass als erste Assoziation zum Begriff »Verhandeln« oft das Feilschen auf einem Basar aufgerufen wird, das ja genau zu dieser Art kompetitiver, wettkampf-ähnlicher Verhandlung gehört.
Diese Art der Verhandlung können Sie auch als Wettkampf um die Verteilung eines Kuchens zwischen zwei Parteien verstehen. Es gibt nur eine begrenzte Menge Kuchen, über die verhandelt werden kann. Wird über die zu verteilenden Stücke des Kuchens verhandelt, kann eine Partei nur dann mehr Stücke bekommen, wenn die andere Partei weniger bekommt. Der Gewinn der einen ist also der Verlust der anderen Seite.

Stellen Sie sich vor, Sie rufen einen Preis für ihr Produkt aus, der dann die Ausgangsbasis der Verhandlung bildet. Schafft die potenzielle Käuferin es, Ihren Preis durch gute Argumente zu drücken, haben Sie einen relativen Verlust und die Käuferin einen relativen Gewinn zu verzeichnen.
Bei dieser Art des Verhandelns handelt es sich also am Ende um eine Win-Lose-Situation, bei der, gemessen am Ausgangspunkt, die eine Partei etwas verliert und die andere etwas hinzugewinnt. Die Grundlage dieses Verhandlungsstils ist oft Misstrauen und Mangel an Informationen. Der Einkäufer geht davon aus, dass der Verkäufer den Preis zu hoch angesetzt hat, um eine gute Verhandlungsposition zu haben. Ähnlich wie beim Feilschen auf dem Basar ist er also überzeugt, dass er da noch etwas »rausholen« kann. Der Verkäufer auf der anderen Seite geht seinerseits davon aus, dass der Einkäufer ihn nur im Preis drücken will. Die Verhandlung soll dann ein Gleichgewicht schaffen und den richtigen Preis zum Vorschein bringen, der irgendwo zwischen den beiden erstgenannten Preisen von Verkäufer und Einkäufer liegt. Den Gegenspieler in diesem Spiel an den Rand der finanziellen Realisierbarkeit zu bringen, fühlt sich für viele (vor allem männliche) Protagonisten wie der Sieg in einem Wettbewerb an. Der Verhandlungspartner wird in dieser Art der Verhandlung daher auch immer als Gegner gesehen. 

Verhandlung oder Krieg?

Lassen Sie mich Ihnen zur Illustration einer hochkompetitiven Situation ein Beispiel anhand eines historischen Beispiels geben. Zu einer der wohl bekanntesten konfrontativen Situationen kam es 1962 in der sogenannten Kubakrise, als die Welt durch konfrontatives Verhalten buchstäblich an den Rand der Vernichtung gebracht wurde: Als Reaktion auf die Stationierung US-amerikanischer Nuklearwaffen auf einem NATO-Stützpunkt in der Türkei, beschloss die damalige Sowjet-Regierung unter Präsident Nikita Chruschtschow, auf dem Seeweg nukleare Mittelstreckenraketen zu ihrem Verbündeten Kuba zu verlegen. Nachdem die US-Regierung erfuhr, dass einige Raketen bereits Ihren Ankunftsort erreicht hatten, verhängte John F. Kennedy eine Seeblockade rund um Kuba und drohte, weitere Stationierungen von Raketen auf Kuba mit Beschuss aus dem eigenen Atomwaffenarsenal zu ahnden. Der Welt drohte nichts weniger als der komplette Untergang. Denn hätten sich die beiden Großmächte gegenseitig mit Nuklearschlägen bedacht, hätte das nicht nur ihre gegenseitige Auslöschung bedeutet. Die Folgen eines solchen Atomkrieges wären für die gesamte Erde katastrophal gewesen und hätten sie mit höchster Wahrscheinlichkeit gänzlich unbewohnbar gemacht. Zu dieser Erkenntnis gelangten bereits die damaligen Analysten auf beiden Seiten. In den dreizehn Tagen, die die akute Krise dauerte, spitze sich die Lage immer weiter zu. Trotz der US-Seeblockade wurden weitere sowjetische Atomraketen und Streitkräfte auf Kuba stationiert. Im Gegenzug verlegten die USA ihre Streitkräfte nach Florida und bekamen militärische Unterstützung von ihren Verbündeten auf der ganzen Welt zugesichert. Trotz geheimer diplomatischer Kommunikation wurde auf beiden Seiten militärisch hochgerüstet, mobilisiert und gedroht. Und trotz der äußerst prekären Lage führten beide Seiten sogar weiterhin Atomraketentests durch, um der Gegenseite ihre Macht zu demonstrieren. Kurz: Die Konfrontation steigerte sich immer weiter und keine Seite war zum Einlenken bereit. Eigene Abzugsversprechen wurden immer an vorige Bedingungen für die Gegenseite gekoppelt. Zwar verhandelten die Spitzen beider Seiten per Brief (tatsächlich per Brief!), und versuchten auch, die Eskalation möglichst unter Kontrolle zu halten. Es waren aber so viele militärische Akteure beteiligt, die teilweise in direkte Konfrontationen mit der Gegenseite gerieten, dass der Ausbruch eines Atomkrieges mehrmals kurz bevorstand.

Im letzten Moment…

Die Welt schlitterte also tatsächlich knapp am dritten Weltkrieg vorbei und dieser brach nur deshalb nicht aus, weil einzelne Akteure aufhörten, die Konfrontation zu suchen und nur »gewinnen« zu wollen. Das glückliche Beispiel ist ein Offizier des sowjetischen U-Boots »B-59«, der seine Zustimmung zum Abschuss der Nuklearwaffen verweigerte, und damit wahrscheinlich einen atomaren Weltkrieg verhindert hat. Sein U-Boot wurde in internationalen Gewässern und ohne aggressives Verhalten seinerseits von US-Zerstörern eingekesselt und mit Übungswasserbomben attackiert, um ein Auftauchen zu erzwingen. Weder wusste der Kommandant des U-Boots, dass die Wasserbomben nicht scharf waren, noch war der Führung des Zerstörers klar, dass dieses U-Boot einsatzbereite nukleare Waffen an Bord hatte. Die Folgen eines Angriffs durch das sowjetische U-Boot wären also verheerend für die Welt gewesen. Zum Abfeuern seiner Nuklearwaffen mussten allerdings zuerst drei Offiziere des U-Boots zustimmen. Doch der Offizier Wassili Alexandrowitsch Archipow lehnte (zunächst als einziger) das Abfeuern der Waffen ab und konnte schließlich den Kommandanten des U-Bootes davon überzeugen, sein Boot vor den amerikanischen Zerstörern auftauchen zu lassen. Hätten alle drei Offiziere die Konfrontation und den Kampf vorgezogen, wäre das Auftauchen und die damit verbundene »Niederlage« keine Option gewesen. Doch nur dieses Verweigern eines Kampfes war es wohl, das die Menschheit vor einem Atomkrieg bewahrte.

Ego-Verhandlung scheitert

Glücklicherweise sind wir im Vertrieb nicht mit Situationen dieser Dringlichkeit und Tragweite konfrontiert. Da sie als Teil unserer zivilisatorischen Geschichte aber wohl jedem bekannt sein dürften, können sie uns vielleicht doch dazu dienen, etwas aus ihnen zu lernen. Und das gilt eben auch für unser Arbeitsfeld, den Vertrieb. In wettkampforientierten Verhandlungen, geht es konfrontativen Verhandlern ebenfalls um »alles oder nichts«, auch wenn dieses »alles oder nichts« natürlich nicht die Welt bedeutet. Unnachgiebigkeit in den verhandelten Positionen, Machtdemonstrationen, Dominanzverhalten und emotionale Ausbrüche sind die Kennzeichen eines solchen Verhandlungsstils. Gewinnen um jeden Preis ist das Ziel, und eine Niederlage ist nicht hinnehmbar. Um dieses Ziel zu erreichen, sind alle Mittel und Tricks recht, auch wenn sie noch so perfide und unfair sind. Das eigene Ego steht über allem und somit in jedem Fall über der verhandelten Sache und den Interessen der Gegenpartei. Wetteifernde Verhandler sind ausschließlich auf die eigenen Interessen und deren Durchsetzung fokussiert. Zugeständnisse werden als Verlust und Niederlage gesehen und aggressives, angriffslustiges Verhalten auf der zwischenmenschlichen Ebene als Überlegenheit missverstanden.

Fazit:

Warum ist dominantes Machtverhalten also keine wirkliche Überlegenheit? Wir müssen uns, etwas überspitzt gesagt, in geschäftliche Verhandlungen nicht mit der gegenseitigen atomaren Vernichtung drohen, um unsere Positionen zu schützen. Sollten Sie sich dennoch derartiger Dominanz ausgesetzt sehen, vergegenwärtigen Sie sich, dass Macht, der niemand zustimmt, keine Macht ist. Erinnern Sie sich an das obige Beispiel von Offizier Archipow, der sich entschied, trotz anlassloser Herausforderung zum Kampf, einfach nicht zu kämpfen. Nachgiebigkeit kann also für den zukünftigen Verlauf der Verhandlung und für die Beziehung in bestimmten Situationen auch eine gute Option sein. Wie das genau aussieht sehen Sie in im nächsten Blog-Artikel über die beziehungsorientierte Verhandlung.